100 Jahre Rosenkavalier

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"Der Ochs ist ja kein böser Mensch"

 

Artikel von Andreas Láng, PROLOG der Wiener Staatsoper

 

Kurt Rydl als Ochs by Axel Zeininger

(Foto: Axel Zeininger)

 

Rund 3200 Vorstellungen weltweit – davon mehr als 1000 an der Wiener Staatsoper – und jährlich kommen nach wie vor in unvermindertem Tempo weitere Aufführungen hinzu: Da kann es sich nur um Kurt Rydl handeln.

Allein in den nächsten Jahren verzeichnet sein gefüllter Terminkalender Auftritte in München und Dresden als Gurnemanz, in London als Hagen, Rocco und Sparafucile, in Rom, Cagliari und Toulouse als Ochs, in Zürich als Rocco, in Paris als Doktor (Wozzeck) und John Claggart.

 

Kurt Rydl und Fan

 

Doch trotz dieser Vorstellungsdichte und des riesengroßen Repertoires von über 100 Partien, steht nach wie vor immer wieder das eine oder andere Rollendebüt an, so etwa der Méphistophélès in Berlioz’ Faust Verdammnis an der Dresdner Oper.

Da ein so erfülltes und abwechslungsreiches Sängerleben auch dokumen-tarisch festgehalten gehört, erscheint nun im Oktober zu seinem 60. Geburtstag – quasi als Zwischenbericht – eine reich bebilderte Biographie, die die bisherigen Stationen des österreichischen Basses und Ehrenmit-gliedes der Wiener Staatsoper ebenso aufzeigt, wie künftige Opernaktivitäten.

Es ist ein Buch, das über den Sänger, über den Menschen, über das zeitgeschichtliche Drumherum viel zeigt“, freut sich Kurt Rydl über das 384 Seiten-Opus. Im Übrigen hält er nichts davon, ein derartiges Buch erst dann herauszubringen, wenn die Karriere schon beendet ist, da „es ja viel schöner ist, wenn sich der Betreffende noch im Saft befindet, wenn die Biographie erscheint und das Ganze nicht nur als Rückblick fungiert.

Dementsprechend erhofft er sich zum 60er noch viele aktive Jahre, in denen er in angenehmer Atmosphäre mit Menschen zusammenarbeiten kann, die der Musik mit Liebe und Demut begegnen.

 

Darüber hinaus hat Rydl auch für den allgemeinen Opernbetrieb einen Wunsch parat:

Dass nicht alles zum Hype, zum Event hochstilisiert wird und die Sänger außerdem nicht ständig über ihr Fach singen. Kaum ist heutzutage ein Tenor als Pedrillo erfolgreich, schielt er bereits nach dem Tamino. Und jeder bessere Kavaliersbariton hat schon die Bestellung für eine Augenklappe aufgegeben, weil er den Wotan verkörpern möchte.

 

Das Wiener Publikum kann den Jubilar im Oktober gleich drei Mal in einer seiner Paraderollen als Ochs im Rosenkavalier erleben. Nicht weniger als 180 Mal hat Kurt Rydl den Landadeligen schon verkörpert – zum ersten Mal 1985 in Turin, mehr als 40 Mal im Haus am Ring und in der jüngsten Vergangenheit in einer Neuproduktion in Los Angeles in der Regie von Maximilian Schell und der Ausstattung von Gottfried Helnwein.

 

Kurt Rydl als Ochs in L.A.

 

So viele unterschiedliche Produktionen es aber auch waren, am positiven Grundcharakter des Ochs ließ Rydl niemals Zweifel aufkommen.

Für mich ist wesentlich, dass das Publikum am Schluss, wenn Ochs abtritt, mit einer Portion Sympathie an ihn zurückdenkt. Wenn die Zuschauer sagen, was auch die Marschallin sagt – „da geht er hin, der aufgeblas’ne schlechte Kerl“ – dann hat der Interpret etwas falsch gemacht. Der Ochs ist ja kein böser Mensch. Er ist eine Falstaff-Figur, ein Schwerenöter, den man im Grunde doch gern hat.

 

Ob diese positive Charakterzeichnung beim Zuschauer allerdings entsprechend angenommen wird, hängt für Kurt Rydl im Wesentlichen vom Gelingen des zweiten Aktes ab.

Der erste Akt mit den vielen hohen und tiefen Tönen ist zwar schwer, aber nicht wirklich dankbar, da sich letztlich alles auf die Marschallin und Octavian konzentriert. Im dritten Akt ist der Ochs zwar wichtig, verliert aber durch dieses herrliche Terzett am Schluss der Oper an Bedeutung. Im zweiten Akt kann er hingegen wirklich aufdrehen, da er spätestens nach der Rosenüberreichung die Bühne beherrscht.

 

Kurt Rydl als Ochs in L.A.

 

Um Ochs vollends zum Sympathieträger werden zu lassen, empfiehlt Kurt Rydl allen Interpreten das Vermeiden übertriebener Derbheit. Angedeutete Ehestandsbewegungen im dritten Akt beispielsweise, sind seiner Meinung nach absolut fehl am Platz. „Hin und wieder darf er das Rockerl des vermeintlichen Marianderls heben, ihren Hintern tätscheln. Mehr ist aber nicht notwendig.

 

 

 

Anhang

Nach diesem Artikel gab, bzw. gibt Kurt Rydl u.a. an folgenden Orten seinen Ochs im "Rosenkavalier"

 

2007

Tokio (mit Dresdener Oper)

 

2008

Toulouse

Dresden

Peking (mit der Deutschen Oper Berlin)

Rom

 

2009

Dresden

 

2010

Hannover (Galavorstellung)

Wien

Berlin

Dresden

 

2011 (Rosenkavalier-Jubiläumsjahr)

Amsterdam (Neuinszenierung unter Sir Simon Rattle, Regie: Brigitte Fassbaender)

Berlin (Deutsche Oper)

Kein Wunder, dass man auch am Ort der Uraufführung, nämlich der Dresdner Semperoper, Kurt Rydl für das Jubiläum „100 Jahre Rosenkavalier“ als Ochs eingeladen hat.

Kurt Rydl als Ochs in Covent Garden

 

DER ROSENKAVALIER (Strauss) Schluss des 2.Akts

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